Lesedauer: 4 Minuten
Thema: Social Media
Autorin: Sabine Stoll
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Facebook ist so alltäglich, dass wir das Netzwerk vielleicht zu wenig hinterfragen. Trotz der vergangenen Skandale, die das Netzwerk immer wieder auch in die klassischen Medien bringt.
Das soziale Netzwerk Facebook gibt es bereits seit 2004 und ist längst schon eine feste Grösse in der Social-Media-Landschaft. Nutzung, Funktionalität und auch die Nutzer_innen selbst haben sich im Laufe der Zeit verändert. Die deutsche Informatikerin und Sprecherin des Chaos Computer Club, Constanze Kurz, macht darauf aufmerksam, dass der Internetriese das perfekte Medium ist, um Desinformationen zu verbreiten und professionell zu manipulieren.
Desinformation durch Regierungen oder Interessengruppen ist nichts Neues. Bereits lange, sehr lange nutzen Menschen die ihnen zur Verfügung stehenden Medien zur Informationsverbreitung und Manipulation. Allerdings: Facebook bietet zu solchen Zwecken besondere Möglichkeiten. Auf der sozialen Plattform lassen sich nicht nur eine grosse Zahl von Menschen erreichen, sondern diese auch gezielt ansprechen. Denn Facebook verfügt dank der Profile und Vernetzung der User über eine vergleichsweise hohe Informationsdichte.
Ein Unternehmen unter Druck
Facebook steht genau deshalb immer wieder unter Druck. Viel diskutiert ist dabei die Frage, welche Verantwortung das Unternehmen tatsächlich hat. Ähnlich wie bei anderen Social Media auch – etwa YouTube – bietet Facebook in erster Linie einmal eine technische Plattform, um verschiedenste Inhalte zur Verfügung zu stellen. Wie weit geht die Verantwortung der Anbieter, sich um die Inhalte zu kümmern? Inwiefern sollten Werbeanzeigen, Posts oder Business-Accounts auf Facebook durch den Konzern geprüft werden?
Die hohe Zahl aktiver User ist ein Argument, dass Facebook mehr Verantwortung übernehmen sollte. Weltweit gibt es 2.32 Milliarden Facebook-Nutzer_innen (dabei sind weitere angegliederte Dienste wie Instagram oder WhatsApp nicht inkludiert). Der amerikanische Kongress wie auch weitere Regierungen üben regelmässig Druck auf Facebook aus, dieser Verantwortung nachzukommen, unter anderem im Bezug auf Wahlwerbung und -manipulation.
Der Internetriese unternimmt immer wieder Schritte, um gegen Desinformation vorzugehen. Anfang letzten Jahres verkündete Facebook, Werbeanzeigen transparenter zu machen, wobei es dabei primär um politische Anzeigen und Wahlwerbung geht. Zu den Massnahmen gehört, dass Werbetreibende geprüft werden, bevor sie politische Werbeanzeigen schalten dürfen. Auch hier stellen sich einige Fragen: wer darf Wahlwerbung machen? Was ist politische Werbung und was umfasst diese genau? Und – wer und wie entscheidet solche Fragen überhaupt?
Soziales Netzwerk, Kommunikationsmedium oder Werbeplattform?
Facebook wird natürlich immer dann aufgezählt, wenn es um soziale Netzwerke geht. Die Bezeichnung verschleiert allerdings, dass Facebook weitaus mehr ist als das. Klar, Facebook gehört zur Social-Media-Landschaft und ist insofern eine Plattform, auf der Menschen miteinander kommunizieren und sich austauschen können. Constanze Kurz vertritt hier sogar die Theorie, dass Facebook primär ein Werbenetzwerk ist und unsere alltägliche und private Kommunikation insofern über ein Werbenetzwerk stattfindet.
Tatsächlich verdienen Plattformen wie Facebook (natürlich auch Twitter, YouTube usw.) ihr Geld in erster Linie mit Werbung. Kritische Geister sehen natürlich auch ihre eine gewisse Unvereinbarkeit: das Interesse des Unternehmens, Geld zu verdienen vs. die Kontrolle und Regulierung der Werbetreibenden.
Eine Plattform für alle
Fakt ist: Facebook als mächtige Kommunikationsplattform ist aufgrund der hohen Nutzerzahlen denkbar geeignet für Manipulation – von Geheimdiensten und allen anderen Akteur_innen, die die öffentliche Meinung beeinflussen wollen. Denn auf dem sozialen Netzwerk wird Öffentlichkeit hergestellt, wenngleich nicht auf die Art der klassischen Massenmedien per One-to-many-Kommunikation. Facebook bietet eben einfach die technischen Voraussetzungen, nicht nur um Waren und DL anzubieten, sondern eben auch zur Verbreitung politischer Botschaften.
Eine Gefahr bzw. kritisch zu sehen in diesem Zusammenhang ist ausserdem, dass sich die Nutzer_innen auf wenige Plattformen konzentrieren, die teilweise ja auch dem gleichen Unternehmen gehören. So gehört der Facebook Inc. neben Facebook selbst u. a. noch die Social-Media-Plattform Instagram sowie der Messenger WhatsApp. Wie es sich in anderen Märkten auch beobachten lässt, schrumpft die Vielfalt der Akteur_innen und konkret auch der sozialen Medien auf wenige stark genutzte Angebote zusammen.
Facebook bietet neue Möglichkeiten zur Manipulation
Die Tatsache, dass ein Grossteil der User auf wenigen Plattformen kommuniziert, macht es leichter, Desinformation zu verbreiten und die öffentliche Meinung zu beeinflussen. Zudem kommen weitere Player ins Spiel, die im digitalen und marktwirtschaftlichen Dschungel voraussichtlich eine grössere Überlebenschance haben als Facebook: dazu gehört die Suchmaschine Google und weitere Dienste des Internetriesen Alphabet.
Die Informatikerin Constanze Kurz vertritt sogar die These, dass im Grunde alle Länder, in denen Facebook weit verbreitet ist, massiv von Desinformationskampagnen betroffen sind. Denn soziale Netzwerke sind wahre Informationsfundgruben, eine Schatztruhe für Big-Data-Anwendungen. Mit der Fülle an Informationen, die weltweit Millionen von Nutzer_innen auf Facebook publizieren, lassen sich gezielt die Menschen mit spezifischen Meinungen, Eigenschaften und Interessen ansprechen.
Social Media als neue Agenda Setter?
Aktuell und auch zukünftig wird und ist die öffentliche Meinung stark durch soziale Netzwerke beeinflusst. Das betrifft zum einen politische Prozesse wie den Brexit oder hier in der Schweiz Abstimmungen. Zum anderen nimmt Facebook als Plattform damit de facto die Rolle der (man kann schon fast sagen) früheren bzw. gerade noch aktuellen Massenmedien ein. Klassische Massenmedien sind natürlich auch auf Social Media vertreten. Die Followerzahlen und damit die Reichweite dieser klassischen Massenmedien ist allerdings vergleichsweise niedrig. Die NZZ hat mit ihrem Facebook-Hauptaccount etwas über 200’000 Likes, Roger Federer fast 15 Millionen.
Heisst: die Massenmedien in der analogen Welt sind auf Social Media nur eine Stimme von vielen. Es ist abhängig von unserer Filterblase, welche Accounts wir sehen und welche nicht. Und Donald Trump (und mit ihm unzählige andere private, politische oder privatwirtschaftliche Accounts) erreicht eben im Zweifel mit seinen Aussagen mehr Menschen als Medien, die gut recherchierte Artikel mit geprüften Informationen veröffentlichen und damit einen wertvolleren Teil zur Meinungsbildung beitragen als kurzfristig getwitterte und affektvolle Meinungsäusserungen.
Gleiches gilt auf Social Media auch für die Werbung selbst. Jede_r hat dabei potentiell die gleichen Chancen, seine Zielgruppe zu erreichen. Entscheidend ist hier primär das Werbebudget bzw. die verfügbaren Ressourcen zur Pflege der Social-Media-Kanäle.
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