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Faszination Marke: Zwischen Handelsgut und Mythos

Lesedauer: 2 Minuten

Thema: Marken

Autorin: Sabine Stoll

 

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Marken faszinieren und polarisieren, sorgen für hitzige Diskussionen, sind Identifikationsobjekte – und gleichzeitig so banal und normal, dass wir den meisten Marken nur wenig Bedeutung zumessen. Wieso verehren wir einige Marken fast kultisch, während andere nur ein Schattendasein fristen?

Marken umgeben uns in allen Lebensbereichen. Vom Luxusbrand bis zur Discountermarke ist das Spektrum breit. Als Unternehmen muss ich meine Marke sorgfältig aufbauen, positionieren und pflegen, um von ihr zu profitieren. Für die Konsument_innen sind viele Marken fast unbemerkt Teil der Kultur und sogar persönlichen Lebensweise geworden, selbstverständliche Begleiterinnen im sozialen Alltag. 

Wie alles begann

Viele heute bekannte und etablierte Marken entstanden bereits Anfang des 20. Jahrhunderts. (Bild: Fotografiert von Waldemar Brandt, St. Johann, Österreich. Credits: unsplash.com)
Viele heute bekannte und etablierte Marken entstanden bereits Anfang des 20. Jahrhunderts. (Bild: Fotografiert von Waldemar Brandt, St. Johann, Österreich. Credits: unsplash.com)

Die ersten Marken entstanden in der Wende des 19. zum 20. Jahrhunderts. Das waren in erster Linie Konsumgüter. Mit Blick auf den (deutschsprachigen) Markt zeigt sich, dass viele dieser frühen Marken auch heute noch fest etablierte Grössen sind: Hansaplast, Maggi, Dr. Oetker, Odol, Jacobs, Milka oder Nivea. 

 

Nach 1945 begannen Unternehmen immer stärker, ihre Produkte bewusst als Marken zu positionieren. Beispiele aus dieser Zeit sind Marken wie Quelle, Sixt oder Tui. Spätestens ab den 1990er Jahren finden sich Marken dann überall. Alles kann (und muss) jetzt eine Marke sein, von Personen über Sportclubs bis hin zu Parteien.

Markenmythos

Was eine Marke ist, lässt sich klar definieren. Das Gabler Wirtschaftslexion schreibt: «Eine Marke kann als die Summe aller Vorstellungen verstanden werden, die ein Markenname oder ein Markenzeichen bei Kunden hervorruft bzw. beim Kunden hervorrufen soll, um die Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden.» So weit, so gut. Doch als Phänomen bleibt die Marke dennoch unbestimmbar und schemenhaft

 

Marken sind im Grunde eine Art von mythischen Produkten, die abstrakte Inhalte in sich tragen: Gefühle, Zugehörigkeiten, Glauben, Versprechen. Im Gegensatz zu Produkten hat eine Marke das Potential, sich über die (vermeintliche) Rationalität des Entscheidungs- und Kaufprozesses hinwegzusetzen. Eine Handelsware ist einfach ein Ding, die Marke fügt diesem «Ding» eine Bedeutung zu. Immerhin war schon Karl Marx klar, dass Waren einen Fetischcharakter besitzen und insofern mehr sind als Gegenstände oder Dienstleistungen, die an den Mann oder die Frau gebracht werden.

 

Der Kulturwissenschaftler Wolfgang Ullrich findet in seinem Buch «Habenwollen», in dem es um die Konsumkultur geht: «In Marken verdichten sich die Qualitäten, die von Dingen allgemein erhofft werden». Konsumkritiker_innen warnen vor der vollständigen Markendurchdringung der Gesellschaft und finden, dass auch in den Medien die Marke den Takt zur Wirklichkeitsadaption angibt. Genau das gehört auch zum Mehr, das Marken bieten: sie sind Teil unserer Kultur und werden auch ausserhalb des Wirtschaftssystems kulturell verhandelt.

Identität macht Marke

Marken differenzieren Produkte und geben ihnen eine besondere Note. (Bild: Fotografiert von Kristian Egelund, Skjød, Dänemark. Credits: unsplash.com)
Marken differenzieren Produkte und geben ihnen eine besondere Note. (Bild: Fotografiert von Kristian Egelund, Skjød, Dänemark. Credits: unsplash.com)

Hinter einem erfolgreichen Brand steckt eine unverwechselbare Identität, die sich mit der Zeit und dem Unternehmen ändern darf – ohne jedoch ihren Identitätskern zu verlieren. Neben Vertrauen und Glaubwürdigkeit benötigt jede Identität eine Geschichte. Idealerweise lässt sich diese weitererzählen und kommunikativ ausschmücken. Die Geschichten mancher Marken sind wie eine Sackgasse und führen nicht weiter. Dabei sollte die Geschichte, auf der die Identität aufbaut, in die Zukunft reichen. Das Hauptmotiv darf immer wieder aufgenommen und neu erzählt werden. Der Held der Geschichte darf nicht nur bei seiner Gründung, sondern auch später gegen Unrecht kämpfen oder spezifische Ziele verfolgen.

 

Wie Andreas Reckwitz in «Die Gesellschaft der Singularitäten» herausstreicht, sind die Konsument_innen längst schon gelangweilt von Standardprodukten. Eine Marke muss ihren einzigartigen Charakter klar zeigen und ihren Wert als Kulturgut – nicht in erster Linie als Produkt – verteidigen. Dafür benötigt die Marke Substanz, Eigenkomplexität und Tiefe. 

 

Produkte, die inhaltsleer sind und nichts über sich erzählen können, das den Produktnutzen oder die Funktionalität übersteigt, sind keine Marken. Ausser natürlich, die Identität beruht auf einer Grundfunktion der Ware, die sie von anderen unterscheidet oder besonders macht. Die Besonderheit eines Produkts (oder: Alleinstellungsmerkmal) allein reicht in den meisten Fällen nicht aus, um die Faszination zu erzeugen, die das Produkt auslösen soll. Je nach Produkt kann diese Faszination an der Identität des Produkts durch die Geschichte selbst ausgelöst werden, aber über das Design oder Testimonials vermittelt werden.

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Die Gesellschaft der Einzigartigkeiten

Der deutsche Soziologe Andreas Reckwitz stellt in seinem Buch «Die Gesellschaft der Singularitäten» eine spannende These auf: spätmoderne Gesellschaften sind durch eine neue, einzigartige Logik geprägt.

Werbung: bitte mit Humor und Sympathie

Als Marketer fehlt im Privatleben oft die Distanz zur Werbung. Man beobachtet, urteilt – und freut sich manchmal. Dann war es meine Lieblingswerbung. Sympathisch, ansprechend und mit ein bisschen Humor.


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